Kenia - 50 Jahre Unabhängigkeit: Vorwärts in die Vergangenheit?

50. Independence Day

Kenia feiert 50 Jahre Unabhängigkeit. Doch über den Feierlichkeiten hängt der Schatten des Internationalen Strafgerichtshofs. Auch innenpolitisch zeigt sich die neue Regierung mit harter Hand. Gesetze zur Kontrolle von Medien und Zivilgesellschaft weisen eher in die Vergangenheit als in die Zukunft.

Die Symbolik war eindeutig. Als Auftakt der 50-Jahrfeier Kenias hisste Präsident Uhuru Kenyatta am frühen Morgen des 12. Dezember 2013 die Nationalflagge in Nairobis Uhuru Gardens. Der Ort war sorgfältig gewählt. Mit dem ersten Setzen der Flagge zelebrierte Jomo Kenyatta, der Vater Uhurus, genau dort vor 50 Jahren die Unabhängigkeit des Landes. Ein halbes Jahrhundert später soll nun erneut der Geist der Unabhängigkeit beschworen werden.

Der Präsident ist erst seit acht Monaten im Amt. In einer umstrittenen Wahl wurde Uhuru Kenyatta mit einer hauchdünnen Mehrheit im März 2013 zum vierten Präsidenten Kenias gewählt. Seit dem befindet sich das Land auf einer Achterbahnfahrt, und sein Präsident auf der Mission, das Rad der Geschichte zurückzudrehen.
 
Der lange Schatten des Internationalen Strafgerichtshofs
Mit dem Versprechen für ein gerechteres, gesunderes und besser gebildetes Land hatte die Jubillee Koalition aus Uhuru Kenyatta’s The National Allianz (TNA) und William Ruto’s United Republican Party (URP) im April die neue Regierung gebildet. Wenig eint die beiden Politiker und ihre jeweilige ethnische Gefolgschaft, abgesehen von der Anklage vor dem Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) auf indirekte Mittäterschaft an den Gewaltakten nach den Wahlen in 2007, bei denen mehr als 1200 Menschen starben, tausende verletzt und über eine halbe Million vertrieben wurden.

Die Klage hängt wie ein Damoklesschwert über den beiden führenden Köpfen des Landes. Und sie bestimmt Richtung und Prioritäten der Außen- und Innenpolitik der neuen Regierung. Erfolgreich mobilisiert Kenyatta regional und kontinental Sympathien für seinen Widerstand gegen das Verfahren, auch wenn er dabei, wie beim außerordentlichen Gipfel der Afrikanischen Union zum IStGH im Oktober, tief in die Trickkiste neokolonialer Rhetorik greifen muss, um das Gericht als Instrument westlicher Hegemonie zu verdammen. Die Forderung nach Immunität von Staatsoberhäuptern findet in weiten Teilen Afrikas grundsätzlich Zustimmung. Der Coup, das auch im Römischen Statut des IStGH zu verankern, ist jedoch vorerst gescheitert. Der Kompromiss ist eine Zuschaltung zu den Verhandlungen per Videolink für Mandatsträger in außerordentlichen, öffentlichen Funktionen. Das scheint auf den ersten Blick eine kleine Beigabe, schafft aber zum ersten Mal in der kurzen Geschichte des Gerichts zwei Kategorien von Angeklagten.

Noch bleibt dem Präsidenten eine Gnadenfrist. Das Verfahren gegen Uhuru Kenyatta soll am 5. Februar 2014 beginnen. Rückendeckung kommt aus der Region. Eigentlich wäre Ruanda an der Reihe gewesen. Um jedoch die Bedeutung der Rolle des Präsidenten für die Öffentlichkeit noch zu betonen, wurde vor ein paar Wochen Kenyatta überraschend der Vorsitz über die Ostafrikanische Gemeinschaft übertragen.  

Medien und Zivilgesellschaft im Visier
Außenpolitisch mag der Widerstand gegen das Verfahren am IStGH noch ein Balanceakt sein, immerhin betont der Präsident wiederholt seine Kooperationsbereitschaft. Innenpolitisch stellt die Regierung die Weichen jedoch sehr eindeutig. Anfang Dezember verabschiedete das kenianische Parlament neue Mediengesetze, welche die als lebendig und kritisch bekannte Medienkultur in Kenia stark einschränken könnten. Sei es durch Selbstzensur ob der exorbitant hohen Strafgelder für Journalisten und Medienhäuser oder direkt durch die Befugnisse eines regierungskontrollierten  Medienrats, der das Prinzip der Selbstregulierung ersetzen soll.

Den Entwürfen für die Mediengesetze folgte nur wenig später ein Änderungsvorschlag zum Public Benefits Organizations Act 2013. Das Gesetz wurde noch kurz vor den Wahlen im März erlassen und reguliert die Arbeit der zahlreichen Nichtregierungsorganisationen (NROs), Verbände und Stiftungen in Kenia. Während sich im Gesetz selbst die Erfolge zivilgesellschaftlicher Lobbyarbeit widerspiegeln, sprechen die vorgeschlagenen Änderungen eine andere Sprache:  Neuregistrierung aller Organisationen, Zwangsbeitritt zu einem Dachverband und die Beschränkung direkter Geldflüsse externer Geber auf 15 Prozent. Das Manifest der Koalitionsregierung spricht zudem von einer „Charity Agency“, die dem NRO Sektor ein jährliches Budget zuweisen soll. Gelder für zivilgesellschaftliche Aktivitäten sollen also durch den Staat verwaltet werden.
Es ist müßig darüber zu spekulieren, ob der Vorstoß eher davon motiviert ist, kritische NROs mundtot zu machen oder dem Staat die Millionen Euro in Entwicklungsgeldern zuzuführen, die sonst an ihm vorbei direkt in die Kassen von NROs fließen. Beides passt in die Agenda einer Regierung, die alle Hebel in Bewegung setzt, Macht und Geld in den Händen einer kleinen Elite zu konzentrieren.

Ende der Verfassungsreform in Kenia?
Der Entwurf zur Änderung des NRO Gesetzes ist derzeit vom Tisch. Doch wird es nur eine kurze Atempause für Kenias Zivilgesellschaft, die sich derzeit an allen Fronten gegen die Regression hart erkämpfter Reformen stemmt. In 2010 hatte eine große Mehrheit der Kenianer für eine neue Verfassung gestimmt – eine der fortschrittlichsten des Kontinents. Presse- und Vereinsfreiheit sind nur zwei der unantastbaren Rechte, verankert in der Verfassung. Ein weiteres wesentliches Ergebnis des Verfassungsprozesses ist die Devolution, die Etablierung einer subnationalen politisch-administrativen Ebene in Form von 47 Countys. Die County Assemblies haben sich nach den Wahlen im März kaum konstituiert, da wurde bereits der Ruf nach ihrer Zusammenlegung laut, nur 12 statt 47 sollen es sein. Devolution sei einfach zu kostspielig. Tatsächlich verschlingen die Gehälter des öffentlichen Dienstes mehr als die Hälfte der Staatseinnahmen Kenias – deutlich mehr als die 35 Prozent, die für die Länder Sub-Sahara Afrikas als gesund gelten. Angetreten mit Forderungen nach höheren Gehältern für Parlamentarier, geht es einem von der Regierungskoalition dominierten Parlament jedoch sicher nicht ums Geld. Es scheint, als werde der Boden bereitet für ein Verfassungsreferendum in 2014, das Tür und Tor öffnen könnte, Reformen und unliebsamen Freiheiten ein Ende zu setzen.

Während Kenia 50 Jahre Unabhängigkeit feiert, schaut es in eine ungewisse Zukunft. Viel steht auf dem Spiel: Kenias internationaler Ruf, seine Rolle in der Region und die Hoffnung auf einen demokratischen und partizipativen Umbau des Staates, dass dem Motto des Jubiläums gerecht wird: „We are one“.